Rühr die Katze nicht an! by Ulrike Günther
Autor:Ulrike Günther [Günther, Ulrike]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Books on Demand GmbH
veröffentlicht: 2015-08-17T16:00:00+00:00
Männerwelten
Seit die Mutter im Krankenhaus war, wurde July von Tante Hilde ins Bett gebracht.
Julys Vater, mit dem sie jetzt allein das Schlafzimmer teilte, kam kurze Zeit später, um ihr Gute Nacht zu sagen und ging dann auch meist zu Bett.
Mit einem Male begann er vor dem Gute Nacht Julys Fußsohlen zu kitzeln. Seine Hände wanderten manchmal bis zu ihren Knien, auf die er dann klatschte und weiter zu den Oberschenkeln, wieder zu den Füßen hinunter und an den Beinen hinauf und hinunter. Dann waren wieder die Fußsohlen dran. Am Anfang war es ein lustiges Spiel und sie lachte, aber dann wollte Vater nicht mehr damit aufhören.
Er hörte auch nicht auf, als das Kitzeln schon weh tat, July hin und her zappelte, und rief: „Nein Papa, nein! Hör auf! Ich will nicht mehr! Lass meine Füße los!“
Erst wenn sie fast weinte, ließ er von ihr ab und strich ihr über den Kopf.
„Du bist doch meine Süße! Das weißt du doch!“
July bewegte sich nicht. Sie hielt ihre Stoffkatze fest an sich gedrückt und starrte ihn mit großen Augen schweigend an.
„Träum was Süßes, mein Kätzchen“, sagte er dann schnell, wich ihrem Blick aus und schaltete die Deckenbeleuchtung ab.
Die Straßenlaterne von außen gab einen schwachen Schein in das dunkle Zimmer.
Vorsichtig tastete er sich auf seine Seite des Ehebettes, wo er mit dem Rücken zu July hantierte und seine Unterwäsche und Hose mit dem Schlafanzug austauschte. Wenn er dann im Bett lag, streckte er sich, ein lang gezogener Laut des Ausatmens folgte und schon waren die ersten pfeifenden Schnarchtöne zu hören.
July schaute ins Dunkel und spürte Tränen auf ihrem Gesicht.
„Wann kommt die Mama endlich heim?“, dachte sie und schluchzte auf.
Wenn Julys Vater aus dem Wirtshaus vom Kartenspielen zurückkam, vergaß er das Kitzelspiel und strich ihr nur leicht über die Haare, bevor er sich ins Bett legte.
Eines Morgens wachte July schweißgebadet auf.
Sie hatte geträumt, dass sie mit dicken Stricken auf einem Stuhl festgebunden worden war und eine böse Hexe ihr einen Löffel nach dem anderen, vollgeladen mit dickem weißen Haferbrei, in den Mund steckte.
Sie setzte sich auf: „Mama, Papa!“
Es dämmerte schon, der Tag brach an.
Das Bett ihres Vaters war unberührt. Mutter war noch im Krankenhaus, fiel ihr ein. Aber wo war Vater?
Verängstigt schlüpfte July aus dem Bett und lief zum Zimmer ihres Bruders, der schnarchend unter seiner warmen Decke lag. Sie zupfte heftig an seinem Kissen und schluchzte: „Darf ich zu dir ins Bett? Wo ist denn Papa?“
Theo hob schlaftrunken die Decke: „Der ist halt noch im Wirtshaus oder sonst wo“, murmelte er. July kroch in sein Bett und kuschelte sich an ihn.
Nach einigen Tagen kam noch ein böser Traum. July schreckte hoch.
Vaters Bett war leer.
Als sie mit ihrer Stoffkatze Norika erneut in das Zimmer des Bruders schlüpfen wollte, hörte sie beim Öffnen der Tür ein Ächzen und ein Keuchen.
Erschrocken hielt July inne und sah wie gebannt den heftigen Bewegungen ihres Bruders zu. Sie wusste nicht, wie lange sie da stand, bis er sie entdeckte und selbst zu Tode erschrak.
Mit puterrotem Gesicht sprang er aus seinem Bett und kam zum Stehen.
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